kannst Du's glauben, Königin? Rhodope. Du bist ein Jüngling-- Du denkst so edel-- Gyges. War ich denn sein Knecht? Und hat er je verlangt, daß ich es sei? Nein, Königin, entschuldige mich nicht, Es bleibt bei deinem Spruch! Und halt ihn nicht Für grausam, er ist mild. Ich ging den Weg, Den ich wohl nimmer hätte gehen sollen, Doch nahm ich gleich auch meinen Fluch dahin. Ich wurde reif zum Tode, denn ich sah, Daß alles, was das Leben bieten kann, Vergeben war, und wenn ich in der Nacht Ihn nicht schon fand und die entweihte Schwelle Mit meinem rasch vergoßnen Blut dir wusch, So ist die Schuld nicht mein: ich warb um ihn. Oh, hätt' ich ihn ertrotzt, wie ich's versuchte, Dann zitterte in deiner Seele jetzt Nur noch ein Schauder vor dem Mörder nach, Der dir das Atmen um so süßer machte, Dein Gatte aber würde, als dein Retter, Noch feuriger, wie je, von dir geküßt. Rhodope. Und Dinge kämen, die's uns fürchterlich Enthüllen würden, daß die Götter nicht Des Menschenarms bedürfen, sich zu rächen, Wenn eine Schuld, die keine Sühne findet, Weil sie im Dunkeln blieb, die Welt befleckt. Doch, sie sind gnädig, dieser Frevel hat Umsonst in Finsternis sich eingewickelt, Er leuchtet doch hindurch. Das Wasser wird Sich nicht in Feuer wandeln, wenn der Mund Des Durst'gen es berührt, das Feuer nicht Erlöschen, wenn der Hauch des Hungrigen Es auf dem Herde anbläst, nein, o nein, Die Elemente brauchen's nicht zu künden, Daß die Natur vor Zorn im Tiefsten fiebert, Weil sie verletzt in einem Weibe ist: Wir wissen, was geschah! Gyges. Wir wissen auch, Was noch geschehen muß! Vergib mir nur! (Er will gehen.) Rhodope. Halt! Das nicht mehr! Gyges. Was kann ich andres tun? Rhodope. Du mußt ihn töten! Gyges. Ha! Rhodope. Du mußt! Und ich-- Ich muß mich dir vermählen. Gyges. Königin! Rhodope. So geh. Gyges. Ihn töten! Rhodope. Wenn du zu mir sagst: Jetzt bist du Witwe! so erwidre ich: Jetzt bist du mein Gemahl! Gyges. Du hast gesehn, Wie er von hinnen ging. Er sprach für sich Kein einzig Wort, er überließ es mir, Und ich, ich sollte--Nein! Rhodope. Du mußt es tun, Wie ich es fordern muß. Wir dürfen beide Nicht fragen, ob's uns schwer wird oder leicht. Gyges. Wenn er kein Gatte war: er ist ein Freund, Wie's keinen zweiten gibt! Kann ich ihn töten, Weil er zu sehr mein Freund gewesen ist? Rhodope. Du wehrst dich, doch es ist umsonst. Gyges. Was soll Mich zwingen, wenn dein Reiz mich nicht bezwang? Ich liebe dich, mir ist, als wäre ich Mit einem Starrkrampf auf die Welt gekommen, Und dieser löste sich vor deinem Blick! Die Sinne, welche, wie verschlafne Wächter, Bisher nicht sahn, noch hörten, wecken sich In sel'gem Staunen gegenseitig auf Und klammern sich an dich, rund um dich her Zerschmelzen alle Formen, sonst so scharf Und trotzig, daß sie fast das Auge ritzten, Wie Wolkenbilder vor dem Sonnenstrahl; Und wie ein Schwindelnder, der in den Abgrund Zu stürzen fürchtet, könnt' ich nach der Hand Dir greifen, ja, an deinen Hals mich hängen, Eh' mich das bodenlose Nichts verschlingt! Doch nicht mit einem Tropfen seines Blutes Möcht' ich mir diesen höchsten Platz erkaufen, Denn selbst im Rausch vergäße ich ihn nicht! Rhodope. Du kannst es mir versagen, das ist wahr! Verlaß mich denn! Gyges. Was sinnst du, Königin? Rhodope. Ein Werk, das still beschlossen und noch stiller Vollbracht wird.--Geh! Gyges. Versteh ich dich? Rhodope. Vielleicht. Gyges. Du könntest? Rhodope. Zweifle nicht! Ich kann und will. Gyges. Nun, bei den Göttern, welche droben thronen, Und den Erinnyen, die drunten horchen, Das darf nicht sein, und nimmer wird's geschehn! Rhodope. So sagst du ja? Gyges. Du weckst mich aus dem Schlummer, Nicht wahr, wenn er in Träumen mir erscheint, Und trotz der Todeswunde immer lächelt, Bis mir das Haar sich sträubt. Rhodope. Nicht mehr! Nicht mehr! Gyges. Auch drückst du einen Kuß mir auf die Lippen, Damit ich in der Angst mich gleich besinne, Warum ich es getan--Du wendest dich, Als ob's dich schauderte bei dem Gedanken? Das schwör' mir erst! Rhodope. Ich werde dein Gemahl. Gyges. Was frag ich auch! Ich siegte ja noch nicht. Rhodope. Gilt's hier denn einen Kampf? Gyges. Ja, Königin, Du denkst doch nicht von mir, daß ich ihn morde? Ich fordre ihn auf Leben oder Tod. Rhodope. Und wenn du fällst? Gyges. So fluche mir nicht nach, Ich kann nicht anders. Rhodope. Fall ich nicht mit dir? Gyges. Doch wenn ich wiederkehre? Rhodope. Am Altar Wirst du mich finden, ebenso bereit, In deine Hand die meinige zu legen, Als nach dem Dolch zu greifen und das Band Zu lösen, das mich an den Sieger knüpft, Wenn er es ist! Gyges. Noch eh' die Sonne sinkt, Entscheidet sich's! So leb denn wohl. Rhodope. Leb wohl! - Und wenn's dich freuen kann, vernimm noch eins: Du hättest mich der Heimat nicht entführt, Um so an mir zu tun! Gyges. Meinst du, Rhodope? Das heißt: ich wäre eifersüchtiger Und neidischer gewesen, hätte mehr Gefürchtet, weil ich wen'ger bin, als er, Und doch beglückt es mich, daß du dies meinst, Und ist genug für mich, mehr als genug! (Ab.) Rhodope. Nun Brautgewand und Totenhemd herbei! Lesbia (stürzt herein und wirft sich Rhodopen zu Füßen). Du Gnädige!--Vergib!--Ich danke dir! Rhodope (sie aufhebend). Du wirst mir wohl nicht danken, armes Kind! Und doch! Zuletzt! Ja, Lesbia, zuletzt! Fünfter Akt Freier Platz. Der König tritt auf. Ihm folgt Thoas. Kandaules. Du schleichst mir nach auf Schritt und Tritt. Was willst du? Fehlt dir der Mut, mich anzureden, Alter, Weil ich ein wenig barsch war gegen dich? Sprich! Setze deine Rede fort! Ich will Geduldig sein und hören, brauchtest du Auch so viel Zeit, daß eine grüne Traube Sich purpurn färbt, bis du zu Ende bist. Thoas. Herr, hab ich jemals einen Mann verklagt? Kandaules. Nein, Thoas. Thoas. Oder einen Mann verdächtigt? Kandaules. Gewiß nicht. Thoas. Las ich heiße Worte auf, Wie sie im Zorn wohl auf die Erde fallen, Und warf sie dir ins Ohr und blies sie an? Kandaules. Nie! Thoas. Nun, so werd ich doch mit siebzig Jahren Nicht tun, was ich mit zwanzig nicht getan, Denn über funfzig dien ich deinem Hause. Kandaules. Ich weiß es, treuer Knecht. Thoas. Die Erde zeugt Ja immer fort, ob man die Könige Ermordet oder krönt, sie läßt die Bäume Nicht ausgehn und die Beeren nicht vertrocknen, Auch hält sie ihre Quellen nicht zurück, Wenn man ihr einmal Blut zu trinken gibt. Kandaules. Das glaub ich auch! Thoas. Nicht wahr? Es bliebe alles, Wie jetzt, ich meine, was mich selbst betrifft, Denn das ist unser Sklaven-Glück, daß uns Ein roter Mond am Himmel wenig kümmert, Und daß wir ruhiger, wie gier'ge Hunde, Die einen Bissen zu erschnappen hoffen, Dem Opfer zusehn und nicht ängstlich fragen, Ob's Gutes oder Böses prophezeit. Kandaules. Was willst du sagen, Greis? Thoas. Dein Vater hatte Mich immer um sich, einerlei, ob er Zum Schmausen ging, ob er zu Felde zog, Ich durfte ihm nicht fehlen, heute reicht' ich Den Becher ihm und morgen Schild und Speer. Auch ordnete ich ihm den Scheiterhaufen Und sammelte mit meinen steifen Fingern Die weiße Asche in den braunen Krug. Er hatt' es so bestellt. Warum denn wohl? Kandaules. Die Traube wird schon rot. Thoas. Du bist ihm ähnlich, Vielleicht--ich sah dich nie das Schwert noch ziehn, Er zog es oft und gern, zuweilen auch Ganz ohne Grund, ich geb es zu, jawohl, Und doch war's gut,--vielleicht gar völlig gleich. Drum wünscht' ich dir sein Los. Kandaules. Ist das nicht mein? Thoas. Wer weiß! Das Ende rechn' ich mit dazu. Vergib mir, Herr! Ich bin kein hurt'ger Kopf, Begreife schwer, hab niemals was erdacht, Und wer mich dumm nennt, schimpft mich darum nicht. Doch wackre Männer kamen schon zu mir Und fragten mich um Rat, und als ich stutzte, Da sagten sie: der schlichtste alte Mann, Der siebzig Jahre zählt und seine Sinne Behielt, versteht von manchen Dingen mehr, Als selbst der Klügste, der noch Jüngling ist. Nun, meine Sinne, denk ich, hab ich noch: So hör auf mich. Kandaules. Ich tu es ja. Thoas. Und quäle Mich nicht um Gründe, glaube nicht, daß ich Gleich Unrecht habe, wenn ich auch verstumme, Weil ein Warum von soundso viel Drachmen Mir fehlt, wenn du mein Wort zu wägen denkst. Du kannst ja auch die Vögel, die nicht fliegen, Wie dir's gefällt, wenn sie dein Seher fragt, Durch einen einz'gen Schuß von deinem Bogen Zerstreun, und mancher hat's im Zorn getan. Doch kommt das Unglück darum weniger, Das sie verkündeten? So sprich denn nicht: Was willst du? Er ist tapfer, brav und treu! Ich weiß es selbst und will's sogar beschwören, Allein ich warne dich nur um so mehr: Nimm dich in acht vor Gyges! Kandaules (lacht). Thoas. Dacht' ich's doch! Ich sag's dir noch einmal: nimm dich in acht! Versteh mich aber recht. Ich sage auch: Er wird dir nimmer nach der Krone greifen, Er wird dich mit dem letzten Tropfen Bluts Verteidigen, und dennoch ist er dir Gefährlicher, als alle, die sich gestern Mit Blicken oder Worten gegen dich Verschworen haben! Ei, die tun dir nichts, Wenn er nur nicht mehr da ist! Darum schaffe Ihn fort, sobald du kannst. Denn, wenn er bleibt Und mit den Kränzen, die er sich errang, Noch länger so herumgeht unter ihnen, Kann viel geschehn. Kandaules. Du meinst? Thoas. Ich seh es ja! Das flüstert und vergleicht! Das zuckt die Achseln, Das ballt die Faust und nickt sich heimlich zu! Du hast sie gar zu schwer gekränkt. Und wird Der Grieche, wenn er morgens beim Erwachen Auf einmal über deine Krone stolpert, Weil man sie ihm des Nachts zu Füßen legte, Sie noch verschmähn? Da wär' er ja ein Tor. Es ist genug, daß er dich nicht beraubt, Beerben darf er dich, und wird er dich. Ei, seine Zeichen stehn, du glaubst nicht, wie! Sonst schimpften sie ihn einen Zitherspieler Und meinten, wie denn ich es selber meine, Daß nur die Vögel süße Kehlen hätten, Die arg verkürzt um ihre Klauen sind. Jetzt ist er ihnen, weil er singen kann, Wenn noch nicht Phöbus selbst, so doch sein Sohn! Kandaules. Das wundert dich? Er hat sie ja besiegt! Wie könnte denn ein Mensch ihr Sieger sein. Thoas. Gleichviel! Doch er ist wirklich brav und treu, Drum folge mir. Dann geht's vielleicht noch gut, Wenn nicht die Götter eine Strafe senden, Und über's Jahr versöhnst du die und uns! Gyges (tritt auf). Thoas. Er kommt. Sprach ich umsonst? Herr, lächle nicht! Selbst an der Mauer schießt Salpeter an, Warum denn nicht das Salz der Zeit an mir? (Er zieht sich in den Hintergrund zurück.) Kandaules. Du hast mich mehr getroffen, als du denkst!-- Nun, Gyges? Gyges. Herr, ich habe dich gesucht. Kandaules. Ich dich nicht weniger. So sag mir an: Was bringst du mir?--Du kehrst dich schweigend ab? Was es auch sei: ich bin auf viel gefaßt! Gyges. Oh, hättest du mein Opfer angenommen! Kandaules. Ich werde nie bereun, daß ich's nicht tat. Doch, wär' es auch geschehn, was hätt's gefrommt? Ihr Argwohn hatte unauslöschlich schon Des Nachts an deinem Seufzer sich entzündet, Doch hadre darum nicht mit dir, wer wäre Ein Mensch und hätte nicht geseufzt, wie du! Gyges. Es war kein guter Tag, an dem der König Von Lydien den Griechen Gyges traf. Kandaules. Ich fluch ihm nicht. Gyges. Du hättest dich des Tigers Wohl selbst erwehrt, der auf dich lauerte, Und ich, mit meinem überflüss'gen Pfeil, Beraubte, statt vom Tode dich zu retten, Dich nur des Meisterschusses. Kandaules. Das ist wahr, Ich hatt' ihn wohl bemerkt und war bereit. Doch, als ich sah, wie dir die Augen blitzten, Die Wangen glühten, und die Brust sich hob, Da unterdrückte ich ein stilles Lächeln Und dankte dir. Gyges. So edel war er stets! Auch da, wo ich's nicht ahnte! Kann ich denn? Kandaules. Ich sah es auf den ersten Blick ja auch, Daß du in einer größeren Gefahr Die Tat noch kühner wiederholen würdest; Wenn die nicht kam, so war's nicht deine Schuld! Gyges. Herr, sprich nicht mehr. Es ist so, wie du sagst, Ich hätte an ein Haar von deinem Haupte Mein Blut gesetzt, und dennoch muß ich jetzt, So will's der Fluch, dein Leben fordern-- Kandaules. Mein Leben! Gyges. Ja, wenn sie nicht sterben soll! Die Sonne neigt sich schon zum Untergang, Und sieht dein Auge noch den Abendstern, So sieht das ihrige ihn nimmermehr. Kandaules. Sie will sich töten, wenn du mich nicht tötest? Gyges. Sie will es! Ständ' ich sonst wohl so vor dir? Kandaules. Kein andres Opfer kann ihr mehr genügen? Gyges. Ich bot das höchste, doch es war umsonst. Kandaules. Da wird sie mir den Abschied auch versagen! Gyges. Ich fürchte, sie entflieht vor dir ins Grab! Kandaules. Dann nimm mein Leben hin!--Du fährst zurück? Gyges. So willig gibst du's her? Kandaules. Wer frevelte, Muß Buße tun, und wer nicht lächelnd opfert, Der opfert nicht!--Kennst du mich denn so schlecht Und hältst mich so gering, daß du darob Erstaunen, ja erschrecken kannst? Ich werde Doch sie nicht zwingen, mit den Rosenfingern, Die noch zu zart fürs Blumenpflücken sind, Nach einem Dolch zu greifen und zu prüfen, Ob sie das Herz zu finden weiß? Gyges. Du schlägst Sogar das schirmende Gewand zurück Und beutst mir selbst die Brust? Kandaules. Ich zeige dir Den nächsten Weg zum Ziel und ebne ihn, Damit du, wenn du wieder vor sie trittst, Doch irgend etwas an mir loben kannst. Hier rauscht der Quell des Lebens, den du suchst: Den Schlüssel hast du selbst. So sperre auf! Gyges. Nicht um die Welt! Kandaules. Um sie, mein Freund, um sie! Gyges (macht eine abwehrende Bewegung). Kandaules. Doch, ich besinne mich, du wolltest heut Mit eigner Hand dein junges Blut vergießen! Den Mut erschwing ich auch wohl noch, drum geh Und bringe ihr mein letztes Lebewohl, Es ist so gut, als läge ich schon da. Gyges. Nein! Nein! Ich kam, zu kämpfen! Kandaules. Ei wie stolz! Du kannst im Kampf mit mir nicht unterliegen, Nicht wahr? Gyges. Du kennst mich besser! Kandaules. Nun, auch das! Selbst, wenn ich siegen sollte, bleibt mir noch Das andre übrig!--Ist das nicht der Duft Der Aloe? Jawohl, schon führt der Wind Ihn uns vom Garten zu. Die öffnet sich, Nur wenn die Nacht sich naht. Da wird es Zeit. Gyges. Oh, dieser Ring! Kandaules. Du meinst, er wäre besser In seiner Gruft geblieben! Das ist wahr! Rhodopens Ahnung hat sie nicht betrogen, Und dich dein Schauder nicht umsonst gewarnt.
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