List Of Contents | Contents of Gyges und sein Ring by Hebbel
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Denn nicht zum Spiel und nicht zu eitlen Possen
Ist er geschmiedet worden, und es hängt
Vielleicht an ihm das ganze Weltgeschick.
Mir ist, als dürft' ich in die tiefste Ferne
Der Zeit hinunter schaun, ich seh den Kampf
Der jungen Götter mit den greisen alten:
Zeus, oft zurückgeworfen, klimmt empor
Zum goldnen Stuhl des Vaters, in der Hand
Die grause Sichel, und von hinten schleicht
Sich ein Titan heran mit schweren Ketten.
Warum erblickt ihn Kronos nicht? Er wird
Gefesselt, wird verstümmelt, wird gestürzt.
Trägt der den Ring?--Gyges, er trug den Ring,
Und Gäa selbst hat ihm den Ring gereicht!

Gyges.
So sei der Mensch verflucht, der dir ihn brachte.

Kandaules.
Warum? Du tatest recht, und wäre ich
Dir gleich, so hätte er mich nicht verlockt,
Ich hätt' ihn still der Nacht zurückgegeben,
Und alles würde stehen, wie zuvor.
Drum dinge mir des Werkzeugs wegen nichts
Vom Frevel ab, die ganze Schuld ist mein!

Gyges.
Doch, welche Schuld!

Kandaules.
  Das Wägen ist an ihr!--
Auch fühl ich's wohl, ich habe schwer gefehlt,
Und was mich trifft, das trifft mich nur mit Recht.
Das schlichte Wort des alt-ehrwürd'gen Dieners
Hat mich belehrt. Man soll nicht immer fragen:
Was ist ein Ding? Zuweilen auch: was gilt's?
Ich weiß gewiß, die Zeit wird einmal kommen,
Wo alles denkt, wie ich; was steckt denn auch
In Schleiern, Kronen oder rost'gen Schwertern,
Das ewig wäre? Doch die müde Welt
Ist über diesen Dingen eingeschlafen,
Die sie in ihrem letzten Kampf errang,
Und hält sie fest. Wer sie ihr nehmen will,
Der weckt sie auf. Drum prüf er sich vorher,
Ob er auch stark genug ist, sie zu binden,
Wenn sie, halb wachgerüttelt, um sich schlägt,
Und reich genug, ihr Höheres zu bieten,
Wenn sie den Tand unwillig fahren läßt.
Herakles war der Mann, ich bin es nicht;
Zu stolz, um ihn in Demut zu beerben,
Und viel zu schwach, um ihm es gleich zu tun,
Hab ich den Grund gelockert, der mich trug,
Und dieser knirscht nun rächend mich hinab.

Gyges.
Nein! Nein!

Kandaules.         So ist's. Auch darf's nicht anders sein!
Die Welt braucht ihren Schlaf, wie du und ich
Den unsrigen, sie wächst, wie wir, und stärkt sich,
Wenn sie dem Tod verfallen scheint und Toren
Zum Spotte reizt. Ei, wenn der Mensch da liegt,
Die sonst so fleiß'gen Arme schlaff und laß,
Das Auge fest versiegelt und den Mund
Verschlossen, mit den zugekrampften Lippen
Vielleicht ein welkes Rosenblatt noch haltend,
Als wär's der größte Schatz: das ist wohl auch
Ein wunderliches Bild für den, der wacht
Und zusieht. Doch, wenn er nun kommen wollte,
Weil er, auf einem fremden Stern geboren,
Nichts von dem menschlichen Bedürfnis wüßte,
Und riefe: hier sind Früchte, hier ist Wein,
Steh auf und iß und trink! Was tätst du wohl?
Nicht wahr, wenn du nicht unbewußt ihn würgtest,
Weil du ihn packtest und zusammendrücktest,
So sprächst du: dies ist mehr, als Speis und Trank!
Und schliefest ruhig fort bis an den Morgen,
Der nicht den einen oder auch den andern,
Nein, der sie alle neu ins Dasein ruft!
Solch ein vorwitz'ger Störer war ich selbst,
Nun bin ich denn in des Briareus Händen,
Und er zerreibt das stechende Insekt.
Drum, Gyges, wie dich auch die Lebenswoge
Noch heben mag, sie tut es ganz gewiß
Und höher, als du denkst: vertraue ihr
Und schaudre selbst vor Kronen nicht zurück,
Nur rühre nimmer an den Schlaf der Welt!
Und nun--

Gyges.             Die Sonne sinkt! Es muß so sein.

Kandaules.
Thoas! (Er nimmt sich die Krone ab.)

Thoas.         Was sinnst du, Herr?

Kandaules.
              Du wolltest mich
Ja fechten sehn, die Freude mach ich dir,
Doch dafür hebst du diese Krone auf
Und reichst sie dem, der übrigbleibt von uns!

(Zu Gyges.)

Wenn du das bist, so gönn ich's dir, und gern
Wird man auf deinem Haupt sie sehn!--Ei was,
Du wolltest sie nicht nehmen? Schäme dich!
Da käm' sie nur an einen schlechtern Mann!

Gyges.
Herr, schwör mir, daß du redlich kämpfen willst.

Kandaules.
Ich muß ihr zeigen, daß ich so viel Schönheit
Nicht leicht verliere. Darum schwör ich's dir.
Und du?

Gyges.           Sie lebt und stirbt mit mir! Ich muß!
Und wenn ich auch bei jedem Streiche denke:
Viel lieber einen Kuß! so werde ich
Darum doch keinen mäßigen.

Kandaules.
              So gib
Mir noch einmal die Hand!--Nun sei für mich
Ein Tiger, ich für dich ein Leu und dies
Der wilde Wald, in dem wir oft gejagt.

(Sie ziehen.)

Gyges.
Noch eins! Aus Scham hielt ich's zurück. Sie will
Sich mir vermählen, wenn du unterliegst.

Kandaules.
Ha! Nun versteh ich sie!

Gyges.
          So wehre dich!

(Gefecht, während dessen sie sich links verlieren.)

Thoas.
Er fällt!--Der letzte Heraklide fiel!

(Ab, ihnen nach.)





Fünfter Akt--2



Der Tempel der Hestia.

Man erblickt in der Mitte die Bildsäule der Göttin. Rhodope kommt
rechts in feierlichem Zug, mit ihr Lesbia, Hero und Karna. Es ist
Abend. Fackeln.

Rhodope.
Karna, der Scheiterhaufen wird errichtet?

Karna.
Er ist es schon!

Rhodope (schreitet in den Tempel und kniet vor der Bildsäule der
Göttin nieder).

Hero.
                Sie spricht
vom Scheiterhaufen,
Anstatt vom Brautgemach?

Lesbia.
              Das wundert dich?
Es muß hier erst doch einen Toten geben,
Bevor es eine Braut hier geben kann.

Hero.
Ich zittre, Lesbia. Sie fragte mich,
Als ich sie schmückte, ob in unserm Garten
Wohl gift'ge Beeren wüchsen--

Lesbia.
                             Wie?

Hero.

                                 Und ob
Ich ihr davon nicht ein'ge bringen könnte;
Für jede schenke sie mir eine Perle,
Und wenn es hundert wären, aber schnell
Müßt' es geschehn!

Lesbia.
                  Und du?

Hero.
                         Ich sagte nein!
Da lächelte sie zwar und sprach: das konnt' ich
Mir denken, morgen zeige ich sie dir,
Doch kam's mir seltsam vor.

Lesbia.
                           Das ist es auch!

Hero.
Nun schickte sie mich fort, ich aber lauschte
Und sah, daß sie mit einem spitzen Dolch,
Wie zum Versuch, ich kann's nicht anders nennen,
Den Arm sich ritzte.

Lesbia.
                    Hero!

Hero.
                         Ja, es kam
Auch rotes Blut.

Lesbia.
Entsetzlich!

Hero.
                    Freilich ehrt
Sie neben unsern Göttern auch noch fremde,
Die wir nicht kennen, und so ist's vielleicht
Ein dunkler Brauch!

Lesbia.
    Nein, nein! Wo tönt die Flöte
Und wo das Rohr? Wer singt den Hymenäus?
Wo sind die Tänzerchöre? Ich war blind!
Sie zog hinaus, um nicht mehr heimzukehren!
Oh, Königin, ich bitt dir ab!--Wird denn
Ein Mahl gerüstet?

Hero.
                  Nein! Daß ich nicht weiß!

Lesbia.
So sei der Trotz verflucht, der mich bewog,
Mich eben heut so fern von ihr zu halten,
Nun--Göttin, sie ist dein zu dieser Stunde,
So wende du ihr Herz! Ich kann's nicht mehr.

Hero.
Ja, reine, keusche, heilige, das tu!--
Und ist es nicht auch seltsam, daß sie sich,
Anstatt der ewig heitern Aphrodite,
Die strenge Hestia, vor deren Blicken
Der grünste Kranz verdorrt, zur Zeugin wählt?

Lesbia.
Ach, alles deutet aufs Entsetzlichste.

Gyges (tritt auf).

Hero.
Gyges!

Lesbia.         Oh, nimm ihn hin! Nur tu es nicht,

Gyges.
Mir ist, als hätt' ich selbst das Blut verloren,
Das ihm entströmte!--Ich bin totenkalt.

Hero.
Wie bleich er aussieht!

Gyges.
                       Da ist der Altar--
An einem andern hab ich sie gesucht--
Da stehen ihre Mädchen--da ist sie--
Was nun?

Thoas (tritt auf).
        Ich bringe dir die Krone dar!

Gyges.
Den Lydiern gehört sie und nicht mir.

Thoas.
Den Lydiern hab ich sie erst gebracht,
Und als ihr Bote steh ich jetzt vor dir!

Volk (von draußen)
Heil, Gyges, Heil!

Rhodope (erhebt sich und wendet sich).

Volk (hereindringend).
                  Dem König Gyges Heil!

Thoas.
Doch sei nicht stolz auf diesen Ruf, die Nachbarn
Sind in das Land gefallen, nun sollst du
Sie führen!

Gyges.
               Wie?

Thoas.
Es kam, wie ich gedacht,
Er war zu mild, es fürchtete ihn keiner,
Jetzt sind sie da!

Gyges (setzt die Krone auf). Ich zahle seine Schuld.

Rhodope (die sich dem Gyges langsam genähert hat).
Erst deine eigne, Gyges!

Gyges.
                        Königin,
Sei du der Preis, der mir entgegenwinkt,
Wenn ich die Feinde rings zerschmettert habe--

Rhodope.
Nein, nein! Von mir erlangst du keine Frist!--
Wir können nicht vor meinen Vater treten,
So tritt mit mir vor Hestias Altar
Und reiche mir vor ihrem Angesichte
Die Hand zum ew'gen Bunde, wie ich dir!

Gyges.
Wenn du gesehen hättest, wie er schied,
So würdest du den Schauder heilig halten,
Der mir verbeut, auch nur dein Kleid zu streifen,
Bevor ich das für ihn getan! Wem bot
Die reiche Welt so viel, wie ihm, und doch
Ging er hinaus, wie andere hinein!

Rhodope.
Wenn er so edel in das düstre Reich
Hinunterstieg, wo keiner sich aufs neue
Mit Schuld befleckt, so werde ich ihm gern,
Und wär's auch auf der Schwelle schon, begegnen,
Ja, ihm mit eigner Hand vom Lethe schöpfen
Und selbst verzichten auf den sel'gen Trunk.
Dich aber mahn ich: ende jetzt!

Gyges.
                               Es sei!--
Doch dies gelob ich dir, du teurer Schatten,
Ich zieh hinaus, so wie's geschehen ist!

Rhodope.
Auch ich gelobte etwas!

Gyges.
          Königin,
Wer einen solchen Kelch voll Seligkeit
Beiseite stellt, wie ich, und wär's auch nur
Für eine Stunde, der verdient sich ihn.

Rhodope.
Still, still, du bist an einem heil'gen Ort.

(Sie schreiten zum Altar.)

Rhodope.
O Hestia, du Hüterin der Flamme,
Die das verzehrt, was sie nicht läutern kann:
Ich dank es diesem Jüngling, daß ich wieder
Vor deinem Angesicht erscheinen darf,
Und, wie das Volk zum König, so erhebe
Ich ihn, sei du mir Zeugin, zum Gemahl.

(Sie reicht Gyges die Hand.)

Als Morgengabe sieh die Krone an,
Die schon gebietend dir vom Haupte funkelt,
Mir aber gib den Totenring zum Pfand.

Gyges.
Den trägt der König noch an seinem Finger.

Rhodope.
Dann hat er schon den Platz, der ihm gebührt.

(Sie läßt Gyges' Hand los.)

Nun tritt zurück, und halte dein Gelübde,
Wie ich das meinige! Ich bin entsühnt,
Denn keiner sah mich mehr, als dem es ziemte,
Jetzt aber scheide ich mich (Sie durchsticht sich.) so von dir!





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